Gemeinschaftliches Wohnen für Einelternfamilien in seinen unterschiedlichen Formen bedarf der besonderen Unterstützung und Förderung, damit zukünftig mehr solcher Wohnmöglichkeiten für Alleinerziehende entstehen. Gemeinschaftliches Wohnen kann für Alleinerziehende, neben bezahlbarem Wohnraum, viele weitere Vorteile bringen: Gegenseitige Unterstützung im Alltag und bei der Carearbeit, eingebunden sein in eine Gemeinschaft, Möglichkeiten zur Mitgestaltung der Wohnsituation und der Wohnungszuschnitte. Einelternfamilien profitieren außerdem von gemeinschaftlich genutzten Flächen, wie z.B. einem Gästezimmer zur Übernachtung eines Besuchers, oder einen Gruppenraum, der auch für Kindergeburtstage und andere Feste genutzt werden kann. Teilt sich die Haus- oder Wohngemeinschaft Gegenstände wie eine Nähmaschine oder ein Bobbycar, müssen diese Dinge nicht von allen Beteiligten einzeln angeschafft werden. Gemeinschaftliche Wohnprojekte bedeuten unter dem Strich eine Ersparnis an Kosten, einen Gewinn an Zeit sowie mehr Lebensqualität.
Gemeinschaftliches Wohnen ist in verschiedenen Formen möglich, z.B. als Wohngemeinschaft von zwei Einelternfamilien, in einer Clusterwohnung, in einem gemeinsamen Wohnhaus für mehrere Alleinerziehende und ihre Kinder oder in einem Mehrgenerationenhaus von Jung und Alt. Bestehende Hürden für diese Wohnformen müssen abgebaut werden. Gemeinschaftliche Wohnformen werden häufig von genossenschaftlich organisierten Wohnprojektgruppen umgesetzt. Für Alleinerziehenden ist eine Teilnahme an solchen Projekten bisher jedoch aus finanziellen, zeitlichen und rechtlichen Gründen häufig nur schwer möglich.
Darüber hinaus erfahren Alleinerziehende, die in eine Wohngemeinschaft mit anderen zusammenziehen, oft Benachteiligungen bei Transferleistungen und dem steuerlichen Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende. Hier besteht politischer Handlungsbedarf.
Gemeinschaftliche Wohnprojekte für Alleinerziehende sollten gezielt im Rahmen des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus unterstützt werden. So kann gemeinschaftliches Wohnen in einer bezahlbaren Wohnung mit Gemeinschaftsräumen für mehr Alleinerziehende und ihre Kinder möglich werden.
In selbstorganisierten Wohnprojekten in Rechtsformen des gemeinschaftlichen Eigentums, wie der Genossenschaft, kann ebenfalls bezahlbarer und sicherer Wohnraum entstehen. Alleinerziehenden fehlen in der Regel jedoch die finanziellen Mittel, um die erforderlichen Genossenschaftseinlagen aufzubringen. Auch sind sie häufig nicht in der Lage, zusätzlich zur Miete noch Zins- und Tilgungszahlungen für ein Genossenschaftsdarlehen zu leisten, auch nicht bei den bereits vergünstigten Konditionen der KfW. Hier braucht es neue Unterstützungsmodelle für Alleinerziehende, die an Wohngenossenschaftsprojekten teilnehmen wollen, z.B. durch die Einrichtung eines Solidarfonds.
Es braucht alternative Wege, damit Alleinerziehende in Wohnprojekte integriert werden können. Die Realisierung eines gemeinschaftlich organisierten Wohnprojekts fordert von den Mitgliedern eines Wohnprojekts in der Regel einen hohen persönlichzeitlichen Einsatz. Alleinerziehende können diesen kaum zusätzlich zu ihren täglichen Aufgaben leisten. Die Beteiligung von Einelternfamilien an Wohnprojekten kann z.B. mit Stellvertreter- und Patenschaftsmodellen, Kinderbetreuungsangeboten oder digitalen Formaten für Gruppentreffen sichergestellt werden. Entsprechende Maßnahmen sind zu fördern.
Die Übernahme des öffentlich geförderten Wohnraums durch Dritte, wie z.B. durch einen gemeinnützigen Verein in Genossenschaftsprojekten und dessen Weitervermietung an anspruchsberechtigte Alleinerziehende, muss rechtlich ermöglicht werden. In gemeinschaftlichen Wohngenossenschaftsprojekten könnten z.B. soziale Träger stellvertretend für die Alleinerziehenden Mitgliedschaften übernehmen und sozial geförderten Wohnraum an Einelternfamilien vermieten. Dafür müssen rechtliche Vorschriften geändert werden.
Der Staat muss die Initiative zur Selbsthilfe und zu ressourcenschonendem Wirtschaften von Alleinerziehenden, die in gemeinschaftlichen Wohnprojekten leben, anerkennen. Zwei oder mehr Alleinerziehende mit ihren Kindern, die sich zu einer Wohngemeinschaft zusammenschließen, tun dies häufig um ihre finanziell und zeitlich angespannte Lebenssituation etwas zu erleichtern. Staatliche Stellen definieren solche Zweckgemeinschaften jedoch als wirtschaftliche Gemeinschaft, sobald ein Kühlschrank, eine Waschmaschine oder andere Elektrogeräte von den Bewohner:innen gemeinsam genutzt werden. Dann verlieren Alleinerziehende den Anspruch auf die Steuerklasse II mit dem steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. Es bedarf daher einer Anpassung der steuerrecht-lichen Regelungen.
Gemeinschaftliche Wohnprojekte sollten als gemeinnützig anerkannt werden können. Dies brächte einige Vorteile für ihre Arbeit: Neben Steuerbefreiungen, Investitionszulagen und steuerlicher Absetzbarkeit von Spenden, erhöht eine Gemeinnützigkeit die Reputation gegenüber Partner:innen und Förderern. Der Zugang zu Land und Immobilien für die Realisierung von Projekten kann dadurch erleichtert und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gefördert werden. Zudem erfahren gemeinschaftliche Wohnprojekte Würdigung für ihren Einsatz für ein nachbarschaftliches Miteinander und eine soziale Stadtentwicklung durch die Anerkennung einer Gemeinnützigkeit.
Kommunen können Konzeptverfahren nutzen, um darüber unmittelbar auf die Ausgestaltung von Baumaßnahmen und die Nutzungs- und Umsetzungskonzepte von Flächen Einfluss zu nehmen. So können sie gezielt Projekte ausschreiben und Grundstücke an Träger vergeben, die sich verpflichten Wohnraum für Alleinerziehende in bestimmten Qualitäten zu realisieren.
Die Gründung von Dachgenossenschaften, die Wohnraum für Alleinerziehende realisieren wollen, sollte politisch unterstützt werden. Dachgenossenschaften können helfen, den Verwaltungs- und Organisationsaufwand bei der Umsetzung von Projekten zu reduzieren.
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