Held:innen POV: Interview mit Aline De-Schryder – alleinerziehende Krankenschwester

Grafik Kinderhand in Erwachsenenhand

Aline De-Schryder arbeitet als Krankenschwester im Schichtdienst im Kölner Uni-Klinikum. Sie liebt den Kontakt mit Menschen und die multikultrelle Umgebung dort. Sie stammt ursprünglich aus Kamerun. Kurz vor dem Beginn ihrer Anstellung im Uni-Klinikum verstarb ihr Mann – da waren ihre Kinder 7 und 11 Jahre alt. Seitdem ist sie alleinerziehend. Die Vereinbarkeit von Schichtdienst und Care-Arbeit ist für sie besonders herausfordernd.    


Welche Hürden erlebst Du in Deinem Alltag als Alleinerziehende?

1. Zeitmanagement & Überlastung
„Ich muss Job, Haushalt, Kinderbetreuung, Arzttermine und Schularbeiten alleine stemmen. Pausen für mich selbst gibt es kaum.“

2. Finanzielle Belastung
„Mit nur einem Einkommen reicht das Geld oft kaum – vor allem bei steigenden Lebenshaltungskosten. Unerwartete Ausgaben bringen mich schnell an meine Grenzen.“

3. Fehlende Unterstützung
„Es gibt Tage, da wünsche ich mir einfach jemanden, der einspringt – wenn das Kind krank ist, die Kita bzw. Schule ausfällt oder ich einfach mal erschöpft bin.“

4. Gesellschaftliche Vorurteile
„Manche Leute sehen mich nur als ‚Problemfall‘ oder denken, ich hätte mein Leben nicht im Griff. Das verletzt – besonders, weil ich jeden Tag alles gebe.“

5. Schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie
„Zum Glück habe ich einen flexiblen Arbeitgeber, der mir entgegenkommt, damit ich weiterarbeiten kann. Das ist nicht selbstverständlich – viele Arbeitgeber bieten diese Flexibilität leider nicht.“

6. Emotionale Einsamkeit
„Ich habe kaum Zeit für Freundschaften oder eine Partnerschaft. Die Einsamkeit ist manchmal genauso schwer wie die Alltagslast.“


Wie belastend empfindest Du den finanziellen Druck als Alleinerziehende?

„Als Alleinerziehende ist der finanzielle Druck auf vielen Ebenen belastend. Ich muss jeden Euro umdrehen: Miete, Lebensmittel, Kleidung, Schulmaterial, Ausflüge – es bleibt kaum Spielraum.

Unerwartete Ausgaben wie eine kaputte Waschmaschine oder neue Winterschuhe lösen sofort Stress aus. Ich mache mir oft Sorgen, ob ich meinen Kindern genug bieten kann.

Es geht nicht nur ums Überleben, sondern auch um Teilhabe: ein Kinoausflug, ein Vereinsbeitrag oder ein kleiner Urlaub – das ist oft Luxus. Ich fühle mich manchmal schlecht, weil ich Nein sagen muss. Nicht, weil es mir peinlich ist – sondern weil ich den Wunsch verstehe und trotzdem ablehnen muss.

Rücklagen? Fast unmöglich. Ich lebe oft von Monat zu Monat. Und mit jedem Preisanstieg wird es enger. Das Wissen, dass ich allein verantwortlich bin, macht es noch schwerer.“


Was muss sich aus Deiner Sicht für Alleinerziehende im Land ändern?

1. Bessere finanzielle Absicherung
„Alleinerziehende dürfen nicht arm sein, nur weil sie allein für ihre Kinder sorgen. Es braucht eine Reform des Unterhaltsrechts, eine verlässliche Kindergrundsicherung und steuerliche Entlastung.“

2. Mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf
„Flexible Arbeitszeiten, bezahlte Freistellung im Notfall, verlässliche Kinderbetreuung – auch zu Randzeiten – sind überlebenswichtig.“

3. Kinderbetreuung stärken
„Es fehlen Betreuungsplätze, Öffnungszeiten passen vor allem nicht zu Schichtarbeit. Gerade Alleinerziehende brauchen verlässliche Kinderbetreuung.“

4. Mehr Wertschätzung, weniger Stigmatisierung
„Wir sind keine Bittstellerinnen. Wir sind Eltern, die alles geben. Gesellschaft und Politik sollten uns mit Respekt begegnen, nicht mit Vorurteilen.“

5. Mehr bezahlbarer Wohnraum
„Alleinerziehende finden oft keine passende Wohnung – wegen zu niedrigem Einkommen oder Vorbehalten von Vermieter*innen. Die Wohnpolitik muss gerechter werden.“

6. Beratungs- und Unterstützungsangebote stärken
„Gerade nach Trennung, in Übergangsphasen oder bei psychischer Belastung fehlt oft konkrete Hilfe.“

Fazit:
„Alleinerziehende brauchen keine Sonderrechte – sondern faire Bedingungen. Damit unsere Kinder dieselben Chancen haben wie andere. Und wir selbst nicht auf der Strecke bleiben.“