Almut Schnerring hat zusammen mit ihrem Lebenspartner vor fast einem Jahrzehnt den Equal Care Day (ECD) ins Leben gerufen. Sie glaubt, dass es grundlegender Strukturreformen bedarf, um Care-Arbeit gesellschaftlich aufzuwerten und gerechter zu verteilen. Sie fordert u. a. die Einbeziehung von Care-Arbeit in die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts, bessere Bezahlung von Care-Berufen, Elternzeit-Modelle und Investitionen in Bereiche wie Kinderbetreuung. Die Stiftung Alltagsheld:innen fördert den ECD seit einigen Jahren finanziell und mit Veranstaltungen zu Care-Arbeit von Alleinerziehenden.
Warum braucht es den Equal Care Day?
Wenn wir weiter so tun, als ob Care-Arbeit keine ›richtige‹ Arbeit wäre, lassen sich auch all die anderen Gaps wie der Equal Pay Gap nicht lösen. Die würden sich von selbst erledigen, wenn wir die Care-Arbeit gerecht verteilen würden – und zwar nicht nur zwischen Frauen und Männern, sondern eben auch zwischen Arm und Reich, zugezogen oder hier geboren, alleinerziehend oder in einer Paarbeziehung.
Der Equal Care Day liegt auf dem 29. Februar, aber den gibt’s nur alle vier Jahre.
Ja, wir haben es extra symbolträchtig gemacht. Der Schalttag verweist darauf, dass die Care-Arbeit oft unsichtbar bleibt, so wie der Schalttag eben auch. Wir sind journalistisch unterwegs und wollten gehört werden, aber kaum jemand hatte sich vor 2016 für das Thema interessiert. So hat’s funktioniert. Den Equal Care Day gibt es trotzdem jedes Jahr, auch 2026, am 1. März.
Was hat Equal Care mit Alleinerziehenden zu tun?
Alleinerziehende investieren enorm viel Zeit, Kraft, emotionale und körperliche Ressourcen und verzichten dabei häufig auf berufliche Entwicklung, finanzielle Sicherheit, politische Teilhabe und Erholung. Obwohl sie über Steuern zum Gemeinwesen beitragen, fehlen verlässliche Entlastungsstrukturen. Die Belastungen liegen bei ihnen, die gesellschaftlichen Profite anderswo – ein Care Gap, der dringend in den Fokus gehört, und eine strukturelle Ungerechtigkeit, die Alleinerziehende besonders trifft, weil ausreichender staatlicher Ausgleich fehlt.
Wenn Alleinerziehende mit der Care-Arbeit alleingelassen werden, bleibt Gleichberechtigung ein leeres Versprechen. Ihre Entlastung ist keine Randnotiz, sondern eine zentrale Frage von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit.
Wie sollten Alleinerziehende deiner Meinung nach unterstützt werden?
Wo es keinen Ausgleich zwischen zwei Erwachsenen gibt, braucht es staatliche Regelungen, die dieses strukturelle Defizit abfedern. Umso erschütternder ist es, wie viele Väter keinen Unterhalt zahlen und wie viel Geld dadurch verloren geht – Mittel, die dringend in die Unterstützung Alleinerziehender fließen müssten. Wo sind darüber hinaus die verlässlichen Strukturen, die entlasten, auffangen, Luft verschaffen? Stattdessen müssen vor allem Frauen die Folgen dieser Schieflagen allein tragen, begleitet von dem stigmatisierenden Unterton, sie seien selbst schuld. Dieses Narrativ reproduziert sich hartnäckig, anstatt anzuerkennen, dass Alleinerziehende an mehreren Fronten leisten, auffangen und tragen – oft ohne den notwendigen gesellschaftlichen Rückhalt.
Politik und Wirtschaft horchen ja leider nur auf, wenn es ums Geld geht.
Ja, es heißt immer: »Wir können uns das nicht leisten!« Dabei könnte man es auch anders denken: Wir müssten nur mal ausrechnen, was es uns als Gesellschaft, als Staat kostet, dass Steuergelder nicht in die Entlastung der Menschen fließen, die Care-Arbeit leisten! Die Antwort ist eindeutig: Überlastete Menschen werden früher krank und verursachen höhere Gesundheitskosten. Viele Beschäftigte in Pflege, Betreuung oder sozialen Berufen steigen früher aus – aber die Politik fordert einen späteren Renteneintritt. Das ist absurd.
Warum ändert sich unsere Gesellschaft so schwerfällig?
Wir leben in Strukturen, die festgeschrieben haben, dass Care-Arbeit angeblich „von Herzen“ kommt, weiblich konnotiert ist und deshalb nicht bezahlt werden muss. Würde man sie angemessen entlohnen, könnten wir uns das schlicht nicht leisten – die Summe wäre so hoch, dass das gesamte System zusammenbrechen würde. Kapitalistische Strukturen und Logiken bauen darauf, dass Menschen weiterhin unbezahlt oder schlecht bezahlt Care-Arbeit übernehmen, sei es aus Verantwortung, aus moralischem Druck oder weil sie keine Alternative haben. So halten wir ein ausbeuterisches System aufrecht, das wir uns schönreden.
Wie könnte es besser funktionieren?
Mein Ideal wäre eine Gesellschaft, in der Menschen, die tagtäglich fürs Gemeinwohl arbeiten, Preise bekämen und gefeiert würden, während diejenigen, die vor allem profitieren und Ressourcen herausziehen, einen fairen Ausgleich leisten müssten. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Unternehmen mit öffentlichen Geldern gefördert werden, ohne dass ernsthaft geprüft wird, welchen Beitrag sie tatsächlich zum Gemeinwohl leisten – oder ob ihre Produkte und Geschäftsmodelle der Gesellschaft am Ende sogar schaden. Es fließen Millionen und Milliarden in Branchen, von denen wir längst wissen, dass sie in Zukunft enorme Kosten im Care-Bereich verursachen werden.
Equal Care: das Manifest in Kurzfassung
© Foto Almut Schnerring: Larissa Neubauer